Die chinesische Kunst der Bildmontage (Teil I)

Viele Jahrhunderte, bevor in Europa das Passepartout erfunden wurde, hat sich in China schon eine hochentwickelte Handwerkskunst der konservierenden und ästhetischen Einfassung von Kalligraphien und Gemälden entwickelt, die hier im „Rahmen-Shopper’s in einer dreiteiligen Serie vorgestellt wird.

Vor etwa 1500 Jahren hat sich in China die Handwerkunst der Bildmontage herausgebildet, die auch die zwei Grundfunktionen von Passepartouts und Rahmungen hierzulande erfüllt: erstens die Kunstwerke zu schützen und konservieren, und zweitens ihre Ästhetik und Schönheit zu steigern. Kalligraphien und Gemälde wurden auf Seide und Papier festgehalten, und unweigerlich stellt man sich die Frage, wie diese Kunstwerke, manche älter als ein Jahrtausend, so lange erhalten werden konnten.

In einer neuen Publikation des Nationalen Palastmuseums in Taipei, Taiwan, dem bedeutendsten Museum über chinesische Kunst überhaupt (die Artefakte waren einst in Peking, wurden aber von den Nationalchinesen kurz vor Ende des chinesischen Bürgerkriegs nach Taiwan gebracht), wird „The Art of Mounting. Chinese Painting and Calligraphy“ umfassend und mit reichen Bebilderungen der bedeutendsten Kalligraphien gewürdigt (Kalligraphie ist im klassischen China die wichtigste Kunstform, bedeutender als die Malerei). Der Buchband ist anlässlich einer Ausstellung im Palastmuseum vom 1. April bis zum 25. Juni 2008 herausgegeben worden. Die Kollektion des Palastmuseums umfasst mehr als 10 000 Kalligraphien und Gemälde, die zum Teil über 1000 Jahre alt sind. Im Zentrum der Veröffentlichung stehen aber nicht die Kunstwerke als solche, sondern eben die Rahmung und der Schutz derselben. Die Veröffentlichung enthält zahlreiche Beispiele über diese Handwerkskunst und ihre verschiedenen Arten. Dabei ist diese Publikation keinesfalls die erste, die sich mit der Kunst des Montierens chinesischer Kalligraphien und Gemälde befasst. Erste wissenschaftliche Analysen über diese Handwerksunst datieren zurück bis in die Song-Dynastie (960-1127), der kulturell bedeutendsten Epoche in der chinesischen Geschichte. In der Nördlichen Song-Dynastie wurde sogar ein Workshop über das Einfassen von Gemälden und Kalligraphien abgehalten, der über Generationen bis in Ming und Qing-Dynastien maßgeblichen Einfluss auf diese Handwerkskunst hatte. Dennoch wurden die Techniken größtenteils mündlich über die Jahrhunderte überliefert. Doch bereits in der Tang-Dynastie (618-907) war die Handwerkskunst gut ausgebildet, während Vorläufer sogar bis ins dritte Jahrhundert vor Christus datieren (in die Epoche der Streitenden Reiche).

Zum Vergleich: In Europa wurde das Passepartout erst in der Renaissance in Italien im 15. Jahrhundert erfunden. Es diente bereits dem Bilderschutz, lange bevor das eigentliche Einrahmen der Bilder praktiziert wurde. Zum Transport wurden sie damals in eine „Passepartout-Präsentationsmappe“ gelegt. Passepartouts hatten in Europa neben dem Schutz schon damals eine zweite wichtige Funktion, nämlich die ästhetische, weil sie ein Bild „ins rechte Licht“ rücken.

Das einzigartige chinesische Handwerk hat verschiedene Namen im Chinesischen (Im Englischen würde man „Mounting“, „Backing“ sagen) und es beinhaltet die Papierrückwand sowie oft Seidenumrahmungen und weitere Teile und Accessoires. Ein nicht montiertes Gemälde oder eine Kalligraphie ist wesentlich schwieriger über die Zeit zu erhalten. Bereits in der Ming-Dynastie hat Chou Chia-chou (1582- ca. 1661) im „Book of Mounting“ geschrieben: „A mounter is in charge of a painting or calligraphy´s fate“ sowie „one cannot overlook paying attention to the mountings of treasured painting and calligraphy“ (The Art of Mounting 2008: 11). Mit umfassenden Erklärungen gibt Chou einen detailreichen Einblick, wie antike Bilder zu reinigen sind, wie man alte Einfassungen entfernt, die Restaurierung durchführt, und wie man Bilder schließlich neu montiert. Das Papier und die Seide hatten in jeder Periode bestimmte Eigenschaften, und nachdem die Montierung der manchmal über 1000 jahre alten Bilder über die Jahrhunderte oft gewechselt wurden, ist es oft nicht mehr möglich zu bestimmen, wie die Originalerscheinung einst war. Neben Rollbildern (zum Aufhängen oder als Handrolle) wurden auch Fächer und Papierblätter (siehe Bild oben) montiert. Diese vier Kategorien der Einfassung werden im nächsten Teil vorgestellt.

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